Samstag, 29. Januar 2011

Gipfelsturm auf Machu Picchu



Die letzten Meter waren noch einmal ein Kraftakt. Ich schnappte kurzatmig nach der dünnen Luft und war Völlig erschöpft. Sechs beschwerliche und hochpulsige Kilometer lagen hinter uns, vom Fuße des Machu Picchu bis nach oben, eine Strecke, die fast ausschließlich aus Treppen bestand. In den Reiseführern hieß es, man brauche dafür eineinhalb Stunden. Doch der Blick auf die Uhr verriet, dass wir die 400 Höhenmeter in unter 40 Minuten förmlich hochgerannt waren. Diese Eile hatte seinen guten Grund:

Machu Picchu war der erklärte Höhepunkt meiner Reise und schon seit Tagen machte ich mir bange Gedanken, ob auch alles klappen würde. Der Besuch, dieses einzigartigen Ortes ist nämlich gar nicht so trivial, wie man es in Anbetracht seiner Bekanntheit annehmen würde. Obwohl es überhaupt nicht meinen üblichen Reisegepflogenheiten entspricht, begann ich mit den konkreten Vorbereitungen bereits Tage zuvor in Lima. Denn mein größtes Problem war der Zeitdruck. Langsam wurde es absehbar, dass die Tage des "Roadtrip Panamericana" kürzer würden, die zurückzulegende Distanz bis nach Feuerland aber immer noch unglaublich lange. Ich wollte also keine Zeit verlieren und buchte bereits in der Hauptstadt einen der begrenzten Sitzplätze für den Zug von Cuzco nach Aguas Calientes, dem kleinen Örtchen am Fuße des Machu Picchu. Der Zug ist die einzige Möglichkeit, um dorthin zu gelangen, wenn man nicht eine umständliche und vor allem sehr zeitintensive Kombination aus Bus- und Taxifahrten und langen Fußmärschen auf sich nehmen will. Letztere Variante hätte ich zwar vorgezogen, doch wie gesagt, dafür war mein Kontingent an verbleibenden Reisetagen einfach nicht mehr ausreichend bestückt. Ich hatte keine andere Wahl und kaufte das absurd teuere Zugticket für US$ 105 Roundtrip.

Immerhin, die erste Hürde war genommen und mit dem touristischen Bummelbähnchen, das durch eine grandiose Landschaft tuckerte, kam ich den Sonnengöttern wieder ein Stück näher. Die Nacht vor dem großen Tag verbrachte ich unruhig in einer kleinen, überteuerten Herberge in Aguas Calientes und aß dort ein überteuertes Abendessen bevor ich schließlich die ebenfalls überteuerte Eintrittskarte für den nächsten Tag kaufte.

Dieser begann um 3:30 Uhr in der Früh, als mich mein Wecker für die "Mission Huayna Picchu" aufläutete. Huayna Picchu ist der Berg, den man kennt, weil er auf jeder Postkarte abgebildet ist. Es ist nämlich der Berg, der hinter den Ruinen zuckerhutförmig emporragt und die grandiose Kulisse liefert für diesen majestätischen Ort. Dummerweise können ihn jedoch täglich nur 400 Menschen besteigen und wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Zwei Möglichkeiten: man gesellt sich morgens zu den Heerscharen von Touristen, von denen jeder versucht, ab 5:30 Uhr einen der ersten Busse zu erwischen, oder man gesellt sich zu den 200 Backpackern, die den Weg zu Fuß in Angriff nehmen, in der Hoffnung schneller zu sein als die Busse. Ich tat letzteres. Die ganze Aktion erinnerte mich ein wenig an meine Rennfahrerzeiten im Radsport: Ein Pulk, ein Startschuss, ein Ausscheidungsrennen. Wie die Bekloppten rannten alle los, als endlich um 4.45 Uhr die Brücke über den reißenden Fluss geöffnet wurde, die den Weg nach oben ermöglichte. Ich ging das Tempo mit und schraubte den Berg hinauf, während mein Herz raste und die Beine immer schwerer wurden. Doch die Radsportkilometer machten sich mit zunehmender Dauer des Anstiegs bezahlt und schließlich kam ich kurz nach der Spitzengruppe, die wie sich später herausstellte allesamt aktive Leistungsportler waren, als sechster oben an.



Es war ein atemberaubender Moment, als einer der ersten an diesem Morgen diesen sagenhaften Ort zu betreten. Die Sonne ging gerade hinter mir auf, als ich inne hielt und mir vorstellte, wie hier vor hunderten von Jahren die Menschen, ihre Stadt errichteten und darin lebten. Mir ging ein kalter Schauer den Rücken runter. Noch eine ganze Weile lang lag ein wunderschöner Friede und meine Andacht über Machu Picchu, bevor sich das Areal langsam mit Menschen füllte.

Sich gleichzeitig winzig klein und großartig zu fühlen. Dieses Gefühl beschlich mich, als ich eine Stunde später mit wackeligen Knien den Gipfel von Huayna Picchu erreichte. Die Aussicht von dort oben auf die umliegenden Berge, Schluchten und Täler und der Blick auf die unterhalb liegenden Ruinen waren gigantisch. Ich lauschte meiner Reisemusik und ließ mich ergreifen von einer dieser melancholischen Stimmungen, die ich nur vom Reisen her kenne. Ich bewunderte die Erhabenheit dieser Welt und machte mir bewusst, welch ein Privileg es ist, solche Momente erleben zu dürfen. Eine tiefe Dankbarkeit machte sich in mir breit, dafür dass ich die Sehnsucht nach der Fremde und dem Abenteuer von klein auf in die Wiege gelegt bekommen habe und von zuhause aus stets ermutigt wurde, solche Unternehmungen anzugehen. In diesem Augenblick fühlte ich mich meinen Eltern ganz nah.

Fun Facts:
  • Das um 1450 erbaute Machu Picchu konnte in seiner Blütezeit bis zu 1.000 Menschen beherbergen und versorgen.
  • Täglich besuchen durchschnittlich 2.000 Personen die Sehenswürdigkeit.
  • Machu Picchu bedeutet übersetzt "alter Gipfel", Huayna Picchu "junger Gipfel."

Checklist:
  • bei  Sonnenaufgang Machu Picchu erklommen

Mittwoch, 26. Januar 2011

Die Luft wird dünn



Vom Meeresspiegel auf 3500 Meter, so lässt sich in wenigen Worten meine jüngste Busfahrt von Lima nach Cusco zusammenfassen. Doch mit dieser Sparsamkeit wäre dem Husarenritt nicht Recht getan, denn dazu war er eindeutig zu lange. Genauer gesagt 23 Stunden voller Leiden. Was war passiert? Das grundlegende Problem war, dass ich keinen der komfortablen Liegesitze mehr ergattern konnte. Dies wiederum bedeutete, dass ich die Fahrt in guter alter Schulbusbequemlichkeit erleben durfte. Allerdings kamen noch einige spezielle Umstände hinzu, die ich so aus meinen Schulbuszeiten nicht unbedingt kannte.  Zunächst war da mein verschnupfter und kommunikationsarmer Sitznachbar, der es zustande brachte, über die Fahrt verteilt eine komplette Rolle Klopapier vollzurotzen. Genau hinter mir saß ein Frau mit Baby, welches nicht daran sparte seinem Unmut über diese Reise in Form von breitem Geplärr Ausdruck zu verschaffen. Die beiden älteren Damen links von mir bemühten dagegen im Dauereinsatz ihre Kotztüten. An Schlaf war aufgrund des Kurvenreichtums auch nicht zu denken und schon gar nicht nachdem sich bei mir die ersten Erscheinungen von Höhenkrankheit breit machten: Kopfweh, Nasenbluten, Übelkeit, Atemnot, um nur einige zu nennen.
Besonders unterhaltsam war die Klosituation. "Solo Urinario" war stets das erste, was uns der Busstewart in seinen 25 Ansprachen einzubläuen wusste. Musste jemand ein größeres Geschäft verrichten, so teilte er dies dem Stewart mit, welcher daraufhin veranlasste, dass der Bus mitten in der Botanik zum Stillstand kam. Zwei Minuten später saßen dann die Weiblein ganz artig links vom Bus und die Männlein artig rechts vom Bus in der Hocke und gaben ihrer Notdurft Freilauf. Ein Bild für Götter. Jedenfalls besser als jedes einzelne Bild, der sechs gezeigten Spielfilme an Bord, die allesamt aus einer Zeit stammten, in der ich noch nicht von dieser Welt war. Doch selbst 23 Stunden gehen irgendwann zu Ende und so kam auch dieser Bus am frühen Abend in Cuzco an.

Hätte ich nicht derart mit der Höhe kämpfen müssen, wäre mir diese beschauliche Stadt sicherlich noch besser in Erinnerung geblieben, als sie es ohnehin schon tat. Denn hinter jeder Ecke erwartete einen hier ein neues hübsches Plätzlein, eine kleine Kirche, ein schmuckes Gässchen. In den Märkten hatte man gar keine andere Wahl als sich der ansteckenden und bunten Turbulenz hinzugeben und mit der geschäftigen Masse zu gehen. Im Zentrum des Geschehens dann der atmosphärenreiche "Placa de las Armas", der wunderschön am Fuß eines Hanges gelegen war und in seiner Mitte voller stolz seinen großen Springbrunnen präsentierte. Gut und gerne hätte ich hier noch den ein oder anderen Tag verweilen können, doch es ging nicht. Denn wie für viele andere, war Cuzco auch für mich vor allem eines, das Sprungbrett für einen der grandiosesten Höhepunkte dieser Reise: Machu Piccu. Bereits am nächsten Morgen wollte ich in die unmittelbare Nähe dieses sagenumwobenen Ortes gelangen. Ich war aufgeregt!

Fun Facts:
  • Cuzco bedeutet in der Quechua Sprache "Nabel der Welt."
Checklist:
  • Höhenkrank

Sonntag, 23. Januar 2011

Wasserspiele an der Steilküste



"If you are not having fun, you're fired." Diese einladenden Worte standen auf der modifizierten, lebensgroßen Pappfigur, die einen der Hostelbesitzer auf einer Reklame zeigte (er war in seinem ersten Leben ein Model). Der Spruch war Programm und das "Cirque Hostel" in Lima mit Abstand das lässigste Hostel, in dem ich jemals untergebracht war. Die drei Typen, denen das Hostel gehörte waren über alle Maße enthusiastisch und hatten eine unglaublich ansteckende Freude an ihrem Treffpunkt der Welt. Von Minute eins an herrschte hier eine familiäre Stimmung, die ich sonst noch nirgends zuvor gesehen hatte. Es war wie in einer großen WG. Jeden Tag gab es Aktionen, Ausflüge und Abenteuer, die allen Gästen gratis offen standen. Und es schien beinahe, als ob die Besitzer selbst am meisten Spaß an ihren Angeboten hatten. Zumindest waren sie immer mit Herzblut dabei: angefangen vom Besuch der Delphinschule, über die legendären Grill-, Gitarren-, Club- und Partynächte bis hin zu den sonnigen Surfausflügen an die nahen Strände. 100% Lima.

Mir hatte es vor allem der Auflug in den Wasserpark angetan. Mit dem halben Hostel ging es in dieser Nacht in den "Parque de la Reserva" und ich bereute es keine Sekunde, mitgekommen zu sein. Denn was sich dort abspielte war wieder einmal kaum in Worte zu fassen. Ich werde gar nicht erst den Versuch wagen, die riesigen, faszinierenden und perfekten Choreografien aus Licht und Wasser zu beschreiben, denn es würde nicht einmal annähernd an das herankommen, was man sieht, wenn man leibhaftig durch diesen Park läuft. Von allen Seiten her spritzt, funkelt, plätschert und leuchtet es. Mal breit, mal hoch, mal gedämpft, mal hell - doch jedes mal fantastisch. Zu meinen perönlichen Höhenpunkten gehörte auf alle Fälle der feuerrote Wassertunnel, durch den ich mehrmals in Staunen und Begeisterung hindurchlief. Es war ein großartiger Abend, der in einer ausgiebigen Grillade auf der Hostelterasse mit anschließendem Gitarrenspiel und kollektivem Singsang bei reichlich Cuba Libre und Pisco Sour sein rühmliches Ende fand.

Da meine Reiseroute es vorsah, nach Lima wieder in die Berge abzubiegen, war neben der Feierei für mich vor allem das Surfen hier noch einmal ganz groß geschrieben. Jeden Tag lief ich zwei mal komplett in Neoprenanzug gekleidet und mit meinem Brettchen unterm Arm gute 20 Minuten durch die Straßen von Miraflores, bis ich schließlich an der Steilküste dieses schönen Stadtteils die Treppen nach unten zu den Wellen nehmen konnte. Es war schlicht und ergreifend eine Genugtuung, mit den Wellen im Gesicht von ganz weit draußen, zurück auf die Fassade der Stadt zu blicken. Vor allem die Abendkulisse bot ein großartiges Bild, als die Paraglider die guten thermischen Voraussetzungen für ihre Feierabendflüge nutzten und zwischen Küste und Strand hin- und hergleiteten. Am letzten Tag kam zum Abschied noch ein 8-Fuß mächtige Brandung rein und nicht nur einmal vermöbelte mich der Pazifik in seinem Vollwaschgang. Doch ich blieb hartnäckig und paddelte immer wieder gegen die Walzen an, bis ich zum guten Ende mit einer gigantischen Welle beschenkt wurde. Ich konnte nun voller Zufriedenheit zurück in die Anden kehren.


Fun Facts:
  • Der "Parque de la Reserva" ist derzeit der Rekordhalter für den größten Wasserfontänenkomplex der Welt. Der Park wurde 2007 eröffnet und kostete die stolze Summe von US$ 13 Millionen. Die größte Fontäne ("Fuente Mágica") wird mit Hilfe einer Düse über 80 Meter hochgeschleudert.

Checklist:
  • durch Wassertunnel gelaufen
  • im geilsten Hostel der Welt übernachtet

Donnerstag, 20. Januar 2011

Die langen Linken



Surfen und Sandruinen, das waren die großen Themen in Nordperu. Der Pazifik hatte mich wieder und ich konnte es nicht erwarten, in die Wellen zu hopsen. Der erste Stop nach meinem Sprung über die umständliche peruanische Grenze (die Immigrationsbüros auf beiden Seiten der Grenze liegen jeweils 4km außerhalb der eigentlichen Grenzorte) hieß Mancora und war offensichtlich die Anlaufstation für alle partytüchtigen Sonnenanbeter Südamerikas. Der Ort war völlig überlaufen mit Touristen und wird sich in meiner Erinnerung vor allem als ein sehr lauter Ort einprägen. Da es kaum mehr freie Betten gab, musste ich ein Mehrbettzimmer direkt neben den Verstärkerboxen der hosteleigenen Partybar beziehen und so verbrachte ich eine weitere Nacht mit vernichtetem Schlaf. Die einzige Welle des hießigen Strandes war leider auch überfüllt mit einer Mischung aus Surfanfängern und eher aggressiven einheimischen Profisurfern. Ich hatte hier wenig Spaß und beschloss mich schnellst möglich wieder aus dem Staub zu machen.

Mein achstündiger Nachtbus nach Süden war Reisen in einer neuen Dimension. Da ich dringend Schlaf nötig hatte, kaufte ich das teuere Ticket für die auf dieser Reise erstmalig angebotenen "180 Grad Cama" Sitze. Es war das Paradies auf Rädern. Ich hatte meinen eigenen, riesenfetten Ledersessel, der sich in der Tat nahezu waagrecht verbiegen ließ. Dazu gab es Decken, Kopfkissen, ein Begrüßungssnack und Getränke. Auch die Sicherheitsvorkehrungen nahmen bislang ungeahnte Ausmaße an. Jeder Passagier musste vor dem Besteigen des Ortes zunächst einmal seinen Fingerabdruck hinterlegen und wurde kurz vor Abfahrt zusätzlich noch abfotografiert. Ich fühlte mich sicher.


"Huanchaco" hieß das Ziel dieser bequemsten Busfahrt aller Zeiten, und war eine Empfehlung, die auf meine Bedürfnisse passen sollte - ein entspannter Küstenort mit großen Wellen. Und so war es auch. Wer nach konsitenten, großen und ewig langen, linken Wellen sucht und diese nahezu für sich alleine haben will, der sollte hierher kommen. Auch wenn der Surf morgens etwas unheimlich war (der Nebel war teilweise so dicht, dass ich hinter den Wellen sitzend nicht einmal mehr das Ufer sehen konnte) kann man hier praktisch zwei Kilometer lang, vom einen Ende der Stadt ans andere gelangen, indem man nacheinander die langen und fast auschließlich nach links wegbrechenden Wellen reitet. Ein Traum!

Auch meine Unterkunft hätte besser nicht sein können. Drei Schwedinnen haben das "Lily Surf Hostel" vor knapp 6 Monaten eröffnet und sich viel Mühe damit gegeben, den Ort so gemütlich und familiär wie möglich zu gestalten. Eine der drei Blondinen ist außerdem verheiratet mit dem besten Surfbrett Shaper der Gegend, der wiederum seine genialen und schönen Bretter im Hostel zum Verleih anbot. Ich hatte nun also noch einmal Gelegenheit alle möglichen und unterschiedlichen Surfbretter auszuprobieren und glaube nun auch zu wissen, welche Maße mir am Besten liegen. Es genügt jezt nur noch eine e-mail, und ein paar Wochen später wird in Deutschland ein auf mich maßgeschneidertes Surfbrett ankommen. Mal sehen, ob ich es mir leisten kann nach dieser Reise!

Unweit von Huanchaco entfernt lagen als perfekte Halbtagesziele die großen Sandruinen von Chan-Chan, die seit 1986 um Unesco Weltkulurerbe gehören. Chan Chan entstand um 1300 und war wahrscheinlich die größte Stadt der damaligen Zeit auf dem südamerikanischen Kontinent und eine der größten der Welt, die aus Lehm errichtet wurde. Bevor die vermögende Stadt von den Inkas erobert wurde wohnten dort etwa 60.000 Einwohner. Noch heute ist da Areal knapp 30 km² groß und ein Teil davon zugänglich für Touristen. Es war ein geheimnisvoller Ort, dessen mystische und unwirkliche Atmosphäre zudem verstärkt wurde durch den dichten Nebel und die beißenden Rauchschwaden, die sich während meines Besuches überall in den Ruinen niederschlugen.

Am folgenden Tag, ereignete sich noch ein dummer Zwischenfall. Der Bankautomat war hungrig und verschlang meine Kreditkarte. Dies wiederrum verschlang einen halben Tag meiner Zeit mit Behördengängen, Telefonaten und Kartensperrung. Glücklicherweise hatte ich noch zwei Maestro Ersatzkarten dabei, die mich hoffentlich weiterhin flüssig halten werden. Nach dieser ganzen Aufregung war ich jedenfalls auch reif für Flüssiges und verpasste dem Tag mit einem gepflegten 5-Fuß Sunsetsurf doch noch ein positives und erfüllendes Ende.

Fun Facts:
  • Während das Wasser in Mancora noch angenehm und warm ist, ist der Pazifik im acht Stunden südlich gelegenen Huanchaco bereits so kalt, dass man zum Surfen einen dicken Neoprenanzug benötigt.
  • In Huanchaco allgegenwärtig sind die "Caballitos de Totora" („Schilf-Pferdchen“), kleine Schilfboote, die seit Tausenden von Jahren auf dem Meer zum Fischen verwendet werden. Heute werden damit auch Touristen für eine Rutschpartie auf den Wellen ausgeführt.

Checklist:
  • Kreditkarte verloren
  • durch die größten Lehmruinen der Welt gelaufen (und gehustet)
  • nach links gesurft

Mittwoch, 19. Januar 2011

Heimatstimmung in den Anden



"44 Schwerverletzte bei Busunglück in Peru." Nur selten habe ich solchen oder ähnlichen Schlagzeilen, die im Auslandsteil deutscher Tageszeitung häufig als Lückenfüller dienen viel Beachtung geschenkt. Während meiner fünfstündigen Busfahrt von Cuenca an die peruanische Grenze wurde mir allerdings klar, woher der Stoff für derartige Berichte kommt. Der Steuermann meiner Todesschaukel war ein geschätzt 19-jähriger Rambo, der es mit der Gemütlichkeit nicht weit her hatte. Mit einem Fuß aus Blei prügelte er den senilen Bus talwärts und innerhalb von nur 90 Minuten legten wir 2500 Höhenmeter zurück. Zwischendurch gab es ein paar langsamere aber umso absurdere Passagen, die auf einer zerbröselten Schotterpiste direkt am Rande von übertriebenen Abgründen entlang führten. Ich versuchte mich abzulenken, indem ich meinen Fokus auf die grandiose Landschaft richtete und war selten so froh aus einem Bus auszusteigen, wie nach diesem Ritt.



In Cuenca, dem Ausgangsort dieser Talfahrt, verbrachte ich drei Tage, ungewöhnlich lange für eine Stadt dieser Größe. Doch vielleicht lag es auch gerade an dieser Beschaulichkeit, dass ich den Gang hier ein wenig runterfuhr. Cuenca vermittelte mir jedenfalls ein Gefühl von Vertrautheit, denn es erinnerte mich stark an meine Heimatstadt Freiburg. Pflastersteine, Studenten, schöne Plätze, runderum Berge und Grünflächen, Märkte, geschäftige und sporttreibende Menschen und zu guter letzt die Dreisam, die hier allerdings "Tomebamba" heißt, aber ebenfalls mitten durch die Stadt fließt. Dort hielt ich um die Mittagszeit meist ein kleines Nickerchen, bevor täglich und pünktlich um 16 Uhr der Regen einsetzte. Das war dann die Zeit, wo ich mein Lieblingscafé aufsuchte und mich bei einer guten Tasse der Schreiberei und meinen Fotos widmete. Aber auch kulturell hatte die Stadt einiges zu bieten. Es ist nicht besonders rühmlich, aber abgesehen von der Tanzaufführung der Universtiät, an die ich zufällig hinstolperte, habe ich hier meinen ersten richtigen Museumsbesuch dieser Reise vollzogen. Alles in allem waren es sehr entspannte Tage bei angenehmen Temperaturen und ich genoss es hier zu sein.

Fun Facts:

  • Ein integraler Bestandteil des Stadtbildes von Cuenca sind die ecuadorianischen Frauen mit ihren traditionellen Hüten, die mit Schubkärren voller Kirschen durch die Straßen ziehen und ihre Ware anbieten und dabei in unzählbaren Wiederholungen das Wort "cerezas" (Kirschen) ausrufen.
  • Genauso zum Stadtbild gehören die kleinen Supermärktchen, die allesamt mit völlig übertriebenen Absperrgittern versehen sind und das Einkaufen alles andere als einladend machen.

Checklist:
  • Risikobusfahrt heil überstanden

Dienstag, 18. Januar 2011

Die Mitte der Welt



Zum Mittelpunkt der Erde, das war das erklärte Tagesziel. Ich machte mich früh auf die Socken, denn es lag eine ordentliche Etappe vor mir, die mich am Ende des Tages in sechs verschiedenen Fahrzeugen, über eine Grenze und über einen Äquator bis in die Hauptstadt Ecuadors führen sollte. Unterwegs nahm ich allerdings noch einen kleinen Umweg in Kauf, um ein wahrliches, architektonisches Glanzstück zu bewundern. Denn einen spektakuläreren Ort für den Bau einer Kirche kann man sich kaum vorstellen, als den für die gothische Kirche "Santuario de Las Lajas" in der Nähe der kolumbianischen Grenze. Diese thront nämlich direkt auf einer kleinen Brücke, über dem Abgrund einer tiefen Schlucht durch die sich ein kleiner Fluss windet. Aus der Ferne wirkt die Kirche, als rage sie aus dem Fels heraus, und sei ein Teil von ihm. Ich gönnte mir ein gutes Stündchen dieses wirklich sensationellen Anblickes, bevor ich mich mit Sack und Pack durch die Heerscharen von Feiertagstouristen zurückwühlte und versuchte, mir ein Taxi zur Grenze zu erkämpfen.

Müde und erschlagen kam ich nachts in Quito an und war froh, als ich eine Herberge gefunden und eine warmes Bett hatte. Doch die Nacht war unruhig. Ich hatte Mühe mit der dünnen Luft hier oben auf knapp 3000 Metern, hatte Kopfweh und war knapp bei Atem. Doch diese Umstände hielten mich nicht davon ab, gemeinsem mit Lukas, einem sehr angehmen Reisekomillitonen aus Oberammergau, am nächsten Morgen zum knapp 30 Kilometer entfernten "Mitad del Mundo", dem Mittelpunkt der Erde zu fahren. Hier treffen sowohl der nullte Breitengrad, als auch der nullte Längengrad aufeinander. Wir dachten uns, wenn man schon hier ist, kann es ja nicht schaden, mal auf dem Äquator zu balancieren. Mit ausgestreckten Armen und geschlossenen Augen ist letzteres übrigens gar nicht so einfach. Selbst als geübter Slackliner hatte ich meine liebe Mühe auf der Linie zu bleiben. Der Grund dafür sind die unterschiedlichen Corioliskräfte, die links und rechts vom Äquator an den Armen ziehen und es einem schier unmöglich machen, im Gleichgewicht zu bleiben.

Das Balancieren auf dem Äquator war nur eines von vielen unterhaltsamen Experimenten, die man dort ausüben konnte. So zum Beispiel, das Aufstellen eines rohen Eis auf einen Nagel, das hier aufgrund der geringeren Erdanziehung viel einfacher gelingt als zuhause. Der Klassiker unter den Äquatorversuchen war die Nummer mit der Wasserwanne. Stellte man diese zwei Meter auf die nördliche Hemisphäre und zog den Stöpsel, so drehte sich das abfließende Wasser links herum. Auf der Südhemisphäre dagegen rechts herum. Stellte man die Wanne direkt auf den Äquator so schoss das Wasser direkt nach unten durch, ohne sich zu dabei drehen. Mit diesen beeindruckenden Erkenntnissen im Gepäck, ließen wir den Tag in der schönen Altstadt ausklingen, schauten den fulminant gefeierten Straßenkünstlern zu und inhalierten förmlich den leckeren Kuchen, den es hierzugegen in den Cafés im Angebot gab.

Fun Facts:

  • Quitto ist lang: Das Stadtgebiet ist aufgrund des schmalen Tals nur in wenigen Bereichen breiter als zwei bis drei Kilometer dafür aber in seiner Nord-Süd-Richtung mehr als 30 Kilometer lang.

Checklist
  • zwischen den Hemisphären hin- und hergesprungen
  • Auf dem Äquator balanciert

Sonntag, 16. Januar 2011

Neujahrskrieg



"Wir empfehlen dringlich, diese Route nicht nachts zu bereisen, da Busüberfälle keine Seltenheit sind!" Der Reisehinweis am schwarzen Brett meines Hostels war zugegebenermaßen etwas beunruhigend. Ich befolgte ihn und nahm die Strecke durchs Grenzgebiet der kolumbianischen Anden tagsüber in Angriff. Schließlich will man das Unglück nicht heraufbeschwören in einem Gebiet, welches nach wie vor von Guerillatruppen und der Regierungsarmee umkämpft ist. Es wäre aber ohnehin ein Unding gewesen, diese spektakuläre Landschaft nicht bei Tageslicht zu sehen. Die 8-stündige Fahrt, die auschließlich aus Kurven bestand, schlängelte sich durch grandiose Schluchten und eine faszinierende und aussichtsreiche Bergwelt der Anden. Viele der kolumbianischen Mitreisenden konnten meine Begeisterung allerdings nur bedingt teilen. Sie hatten nämlich noch keine 10000 Kilometer Busfahrten und stürmische Bootstouren hinter sich, waren also nicht ganz so kurvenresistent wie ich und verbrachten daher einen beachtlichen Teil der Reisezeit kopfüber in den kleinen schwarzen Brechtüten, die der Busfahrer bereit hielt.

Angekommen in Pasto, bezog ich ein ungewohnt großzügiges Hostelzimmer. Zwei Doppelbetten für mich alleine, heiße Duschen und zu meiner Freude gehörte sogar ein Satelitten Fernseher zur Ausstattung. Dieser servierte mir bis spät in die Nacht den guten alten "Titanic" Schinken - auf Englisch!

Der letzte Dezembertag startete furios. Ich war unterwegs, um mir ein herzhaftes Früstück zu organisieren, als ich mich plötzlich und zu dieser Jahreszeit ungewohnt inmitten eines Karnevalumzugs wiederfand. Die drei Unterschiede zum Karneval zuhause: 1. Die großen Umzugswägen werden nicht von Traktoren sondern von Menschen gezogen bzw. geschoben. 2. Die Zuschauer besprühen sich mit Schaum anstatt mit Konfetti. 3. Um 15 Uhr sind die meisten Besucher noch immer nüchtern.

Der Umzug war ein hervorragender Auftakt zu dem bevorstehenden Sprung ins neue Jahr. Die gute Nachricht war, dass ich heute Silvester gleich zwei mal feiern durfte. Die erste Feier begann um 17 Uhr mit einer Live Schaltung per Skype. Svenja hatte extra ihren Laptop zu der Partygesellschaft mitgebracht, die in Freiburg die letzten Stunden des alten Jahr feuerte. Ich war vorbereitet und hatte mir ein Six-Pack Bier gekauft, um nicht auf dem trockenen zu sitzen, während zuhause feuchtfröhlich angeprostet wurde. Es war großartig und ich war unheimlich glücklich, alle meine Freunde zu sehen und hautnah dabei sein zu können wie in Freiburg 2010 verabschiedet und 2011 willkommen geheißen wurde. Als es so weit war wurde der Laptop mit meiner digitalen Anwesenheit unter allen Partygästen herumgereicht und ich konnte jedem persönlich ein gutes neues Jahr wünschen. 9558 Kilometer weit entfernt und trotzdem mitten drin und voll dabei. Ein schöneres erstes Silvester hätte ich mir an diesem Tag nicht vorstellen können.

Das zweite Silvesterfest hätte ich beinahe verpasst. Denn hier schoss und sprühte das gewaltige Feuerwerk bereits um 23 Uhr über den nächtlichen Andenhimmel. Doch die Aufregung war umsonst, denn das Feuerwek sollte nur das Vorspiel sein für den eigentlichen Höhepunkt hierzulande: "La Quema de Muñecos" - das Verbrennen der Puppen. Schon Tage zuvor werden überall die lebensgroßen Puppen zum Verkauf angeboten und in den wildesten Kostümen zur Schau gestellt. Kurz vor Mitternacht schleppen die Eigentümer ihre Puppen dann vor die Haustür, stopfen reichlich Silvesterböller in ihre Körper, überschütten sie mit Benzin und setzen sie in Brand.



Die ersten "Kremationen" verfolgte ich von meinem Zimmerfenster aus und war erstaunt, wie feuergewaltig das Spektakel war und vor allem wie unfassbar laut die Detonationen der Böller durch die Gassen krachten. Irgendwann machte ich mich selbst auf ins Geschehen. Auf den Straßen herrschten kriegsähnliche Zustände. Sirenengehäul und überall loderten, fackelten und explodierten die Feuerhaufen. Die Straßen lagen in Flammen. Besonders ungeheuerlich und fast schon zu real empfand ich den Anblick der Puppenhände und -füße, die teilweise seitlich aus den Feuern herausragten. Das alles war wie ein unwirklicher Spuk der genauso schnell wieder vorbei war, wie er gekommen war. Denn gegen halb eins hatte es sich ausgebrannt und die Straßen waren im wahrsten Sinne des Wortes wie leergefegt. Was blieb war Asche und Rauch. Ich blieb nicht und machte mich zurück ins Hostel, wo ich zum Ausklang eines ereignisreichen Jahres und in gespannter Vorfreude auf ein ebenso ereignisreiches neues Jahr ein letztes Bier trank.


Fun Facts:
  • Der Tradition nach stecken die Menschen kleine Zettel in die Hosentaschen der Muñecos, auf denen steht, was man alles im alten Jahr bereut hat. Diese Zettel gehen dann mitsamt den Puppen in Flammen auf und auf diese Weise wird das alte Jahr verabschiedet und Platz gemacht für das neue.
  • Überall in den Einkaufsstraßen stehen Leute mit Neonwesten und einem Stall voller Handys in der Hand. Von ihnen kann man dann Telefonminuten in die unterschiedlichen Anbieternetze zum Einheitspreise von 500 pesos pro Minute abkaufen.
  • vor jedem Shop steht ein Typ mit Lautsprecher und Verstärker und promoted lautstark seine aktuellen Angebote. Der Geräuschpegel in der Einkaufsstraße ist entsprechend unerträglich.

Checkliste:
  • an einem Tag zwei Mal Neujahr gefeiert
  • durchs Flammenmeer gelaufen

Mittwoch, 12. Januar 2011

Wachspalmen und Wolkenwälder



Eine achtstündige Busfahrt mit Durchfall? Dies entsprach nicht ganz meinen Vorstellungen von dem bevorstehenden Aufbruch in die kolumbianischen Anden. Ich beschloss, mich auf keine Experimente einzulassen und besorgte mir morgens noch schnell eine Packung Immodium. Gut abgedichtet ging es dann los auf die kurvigen 2800 Meter Höhendifferenz, die sich der Bus den Tag über hinaufschleppte. Mein Tagesziel war Salento, ein kleines, beschauliches Kolonialstädtchen fernab jeder Hektik von Großstädten. Es war genau das was ich gesucht hatte nach all der Rastlosigkeit der letzten Tage, ja gar Wochen. Das Glück war mir hold und das "Plantation House" Hostel, in das ich mich einnistete hätte gemütlicher nicht sein können. Das Beste war der Aufenthaltsraum, der genau genommen so etwas wie eine kleine urige Almhütte war, komplett aus Holz gebaut und mit einem großen Kaminfeuer, welches in dieser Höhe für die nötige Wärme sorgte.

Eine erstklassig durchgeschlafene Nacht später machte ich mich auf den Weg in das 11 Kilometer entfernte Corcora Tal. Ich wusste bereits aus Erzählungen, dass mich dort eine außergewöhnliche Landschaft erwarten würde. Und in der Tat wurde mir nicht zu viel versprochen. So in etwa stellte ich mir das Auenland der Hobbits aus Tolkiens "Herr der Ringe" vor. Schon bei der Anfahrt in dem Geländejeep strahlten immer wieder die saftig grünen Wiesen durch, die in höheren Lagen durch mystisch verhangenen Wolkenwälder abgelöst wurden und überall dazwischen streckten die himmelhochragenden Wachspalmen ihre mageren Büschel in die Höhe. Letztere sind auf jeden Fall die Stars dieser Gegend. Nirgendwo sonst auf der Welt findet sich eine derart große Anhäufung dieser einzigartigen Palme, die teilweise bis zu 60 Meter hoch werden kann.

Es war die perfekte Landschaft für eine ausgiebige Tageswanderung, die mich über waghalsige Baum- und Hängebrücken, durch Schluchten, Berge und Täler führte. Der 8-stündige Marsch war durchaus sehr anspruchsvoll, was vor allem daher rührte, dass der Untergrund durch die vielen Regenfälle aufgeweicht war und ich nicht selten bis zu den Knöcheln im Schlamm versank. Vor allem die schmierigen Kletterpassagen und Flußüberquerungen waren zum Teil eine echte Herausforderung. Doch die Belohnung durch die grandiosen Aussichten waren alle Mühen wert. Vor allem genoss ich es, nach langer Zeit mal wieder einen Tag für mich ganz alleine zu haben, und kehrte kurz vor Abenddämmerung zufrieden und erfüllt wieder zurück zu unserer kleinen Almhütte.


Fun Facts:
  • Seit 1985 ist die Quindio-Wachspalme der Nationalbaum Kolumbiens. Mit einer Höhe von bis zu 60 Metern gilt sie als höchste Palmenart der Welt. Die Palmen können bis zu hundert Jahren alt werden kann.
Checklist:
  • Kollibri gesehen
  • Mit 17 Menschen in einem normalen Jeep gesessen

Dienstag, 11. Januar 2011

Mehr Licht geht nicht!



"Es werde Licht!", sagten sich in den 60er Jahren die Stadtverantwortlichen von Medellin, und schufen ein kleines, beschauliches Festchen. Mittlerweile ist das "Festival de las Luces" zu einer der größten Veranstaltungen im Land gewachsen und alljährlich überstrahlen zur Weihnachtszeit Millionen von Lichtern die zweitgrößte Stadt Kolumbiens. Vier Wochen lang, von Mitte Dezember bis Mitte Januar dauert das fantastische Spektakel und es ist einzigartig, welcher Aufwand dort betrieben wird. Ich habe mir sagen lassen, es sei die Mentalität der Medelliner, immer nach dem Besten, Höchsten und Größten zu streben. Vielleicht ist dies auch der Grund weshalb Medellin die einzige Stadt in Kolumbien ist, die über eine Metro verfügt. Welch ein Genuss übrigens, sich nach hunderten von Chickenbussen endlich mal wieder auf ein gut strukturiertes und modernes, öffentliches Verkehrsnetzwerk verlassen zu können.

Es dämmerte und wir standen auf einer großen Brücke, die gleichzeitig den Anfang des Lichterfestes markierte. Was sich vor unseren Augen auftat, war unbeschreiblich. Der ganze Fluß war überdacht mit kleinen Stegen auf denen riesige und in allen Farben leuchtende Räder installiert waren, die sich drehten. Sie wurden angetrieben durch Wasser, das in einem komlizierten Aufbau vom einem Ende eines jeden Steges zum anderen gepumpt wurde. Dieses Lichterkarusell zog sich sage und schreibe vier Kilometer lang flußabwärts. Lichter bis zum Horizont. Den Fluß flankierend fand dann das eigentliche Fest statt, vergleichbar mit einer Mischung aus Oktoberfest und Europapark. Während auf der einen Seite dieser Weihnachtsfanmeile unzählige Fressstände aufgebaut waren, standen auf der anderen Seite in regelmäßigen Abständen aufwendig inszinierte Miniaturfreizeitparks, durch die man hindurchlaufen konnte. Diese wahnsinnigen Lichtinstallationen, hatten als einzige Gemeinsamkeit Weihnachtsmotive zum Inhalt, unterschieden sich aber jeweils reichlich in Form, Farben und Figuren.

Mein holländischer Mitreisender und ich waren völlig geplättet von der überwältigenden Lichterflut. Ungwollt fanden wir uns zwischendurch auch selbst als Attraktion wieder. Da wir unter den anderen 250000 Besuchern so ziemlich die einzigen Westlichen Gesichter waren, stachen wir entsprechend heraus und wurden immer wieder angesprochen und angehalten, um abgelichtet zu werden. Lichter überall.



Die Krönung gab es zum Schluss. Eine riesige erleuchtete Wasserlandschaft, die zur Abkühlung einlud, bildete den Schlusspunkt der illuminierten Fluß- und Festmeile und diente gleichzeitig als Verbindung zu dem gegenüberliegenden Berg. Dieser war in seiner Gesamtheit gestaltet als womöglich die größte Weihnachtskrippe der Welt. Am Hang standen Esel, Hirtenhäuschen, Kaspar, Melchor und Baltasar und ganz oben natürlich die eigentlichen Protagonisten der Weihnachtsgeschichte. Allesamt waren überdimensional groß und in dem gleichen Stahl- und Maschendrahtgerüst konstruiert, mit der gleichen bunten Allufolie umwickelt und mit den gleichen Lichterketten umleuchtet, wie all die anderen fantastischen Aufbauten, die wir zuvor gesehen hatten. Die Aussicht von ganz oben und an der Seite des Christkindes war, im wahrsten Sinne des Wortes der Gipfel dieses grandiosen Schauspiels.

Fun Facts:


  • Das "Festival de las Luces" (auch "Alumbrado navideño de Medellín" genannt) ist ein Publikumsmagnet, in das mittlerweile mehr als 80 Unterveranstaltungen eingebettet sind.
  • Im Jahr 2008 wurden über 14 Millionen Lichter verwendet und mehr als 300 Kilometer Lichterketten verlegt.
  • Die Gesamtkosten, beliefen sich im Jahr 2009 auf umgerechnet 9 Millionen Dollar.

Checklist:
  • durch eine vier Kilometer lange Weihnachtsbeleuchtung gelaufen.

Montag, 10. Januar 2011

Bescherung per Skype



Eine unendliche Müdigkeit machte sich breit, als ich nach 5 Tagen Schifflein fahren endlich wieder festen Boden unter meinen Füßen hatte. Unsere komplette Überseecrew checkte ein im selben Hostel mit Innenhof, Swimmingpool, Dachterasse und allen möglichen anderen Annehmlichkeiten, die man sich nach so einer Odyssee nur wünschen konnte. Schnell noch eine Riesenportion Spaghetti, ein Bier und dann ab in die Falle. Ich schlief die Nacht durch wie ein Stein. Daran konnte nicht einmal die Tatsache etwas ändern, dass 10 Meter Luftlinie neben meinem Ohr eine Punkband die Nacht durch lärmte.

Am nächsten Morgen um 8 Uhr stürmte ich ausgeschlafen und frivol in meinen ersten Tag in Südamerika. Ich traute meinen Augen nicht, als im Hof meine drei australischen Schiffsgenossen noch immer wach waren und feierten. Neben ihnen standen eine beträchtliche Anzahl leerer Rum- und Colaflaschen. Das Rätsel um die außergewöhnliche Energieleistung der drei Partylöwen war schnell gelüftet. Wir waren jetzt schließlich in Kolumbien, wo bekanntermaßen nicht nur Weihnachten weiß gefeiert wird. Wie sich herausstellte hatten sich die Jungs nachts gleich mehrere Male in unserem Gemeinschaftsbad das ungestreckte Energiepülverchen durch die Nase gezogen und auf diese Weise die Nacht zum verlängerten Tag gemacht. Der Zauber hielt noch an, bis zum berühmten "Crash and Burn" gegen Nachmittag. Da sahen die Buben dann gar nicht mehr gut aus. Zu allem Unglück hatten sie 6 Stunden später einen Nachtbus ins Landesinnere gebucht. Wahrlich keine Kinder von Traurigkeit.

Es war Heilig Abend. Doch eine heilige und festliche Stimmung wollte irgendwie nicht aufkommen im 40 Grad brütenden Cartagena. Ich suchte nach ein Wenig Abgeschiedenheit in der wunderschönen Altstadt der Küstenmetropole. Aber gerade weil sie wirklich unübertroffen piktoresk, verspielt und eine einzige Augenweide ist, laufen hier auch ganze Heerscharen von Touristen rum. Nicht zuletzt wegen eben dieser Altstadt ist Caratagena eine beliebte Anlaufstation für Luxusliner und Traumschiffe.

Ich suchte die Flucht am Strand auf der anderen Seite der Stadt. Erfolglos. Auch hier reihte sich ein Hochhaushotel am anderen und die wenigen Flecklein Sandstrand waren maßlos übervölkert. Doch auf einem weit ins Meer reichenden Wellenbrecher gelang es mir, ein paar schöne Gedanken zu sammeln und mir vorzustellen, wie meine Liebsten in diesem Moment zuhause unseren alljährlichen Heiligabendspaziergang unter den schneebeladenen Tannen des Schwarzwalds unternahmen. Es war sehr eigenartig an diesem Tag alleine und am anderen Ende der Welt unterwegs zu sein. Ich vermisste meine Eltern und meinen Bruder.

Die gute Nachricht war, dass es mittlerweile so wunderbare Technolgien wie Skype gibt und wir um 22:30 Uhr MEZ (17:30 in Kolumbien) ein Liveschaltung vereinbart hatten. Es war ein sehr wohltuendes Gefühl plötzlich zuhause im Kreis der Familie zu sein. Alle strahlten, während im Hintergrund der kunstgeschmückte Christbaum leuchtete und wir gemeinsam zwei Lieder sangen. Jetzt kam Weihnachten auch bei mir an. Ich war gerührt. Als dann auch noch einer von Mamas selbstgebackenen Weihnachtsbrötchen durchs Bild huschte war ich nah dran, in meinen Rechner zu beißen. Ich beschloss, dass es jetzt Zeit war für die ferngesteuerte Bescherung, die ich von langer Hand geplant hatte. In der Wohnung hatte ich nämlich ein kleines Weihnachtspaket versteckt, welches die Zuhausegebliebenen nun suchen und öffnen sollten. Die Überraschung war gelungen und die Weihnachtsfreude in den Gesichter groß. Nach einer herzlichen Stunde verabschiedeten wir uns alle zufrieden und ich machte mich bereit für das zweite Weihnachtsfest an diesem Abend.

Dieses begann mit einem Reis-,Fleisch-, und Gemüsebrei, eingewickelt im Bananenblatt und endete mit Poolparty und Punkrockband in unserem Hostel. Und dazwischen lag noch das ein oder andere Glas Rumcola. Stille Nacht, heilige Nacht.

Fun Facts:

  • ein Tagesausflug von Cartagena entfernt liegt ein Vulkan, der anstelle von heißer Lava, warmen Schlamm spuckt. Das Schlammbad im Krater ist bei einem Besuch obligatorisch.
Checklist:
  • Weihnachtsspaziergang am Karibikstrand
  • an Heiligabend im Pool gebadet

Advent, Advent, die Sonne brennt

Sonntag, 9. Januar 2011

Todeszone Toilette



Das Paradies war teuer erkauft! Der Preis kam in Gestalt der zweitägigen Rückreise aufs kolumbianische Festland. Es war Horror in seiner reinsten Form. Selbst der Kapitän gestand im Nachhinein, dass er den Trip niemals gemacht hätte, wenn er nicht an Weihnachten zu seiner Frau in Caratagena gewollt hätte.

In aller Früh ging es morgens los. Wir machten das Boot startklar für die bevorstehende Fahrt nach Cartagena und mussten alle unsere Dinge gut verstauen und alles so befestigen, dass nichts umfallen konnte. Der Kapitän warnte uns, dass es sehr rauh werden würde und die Nacht eng, da es unmöglich sei, unter diesen Bedinungen draußen zu Schlafen, geschweige denn irgendwelche Hängematten aufzuhängen. Wir waren einmal mehr eingeschüchtert und schmissen uns, einer nach dem anderen, vorsorglich die Tabletten ein, die uns auf dem Hinweg schon so gute Dienste erwiesen hatten. Doch dieses Mal blieb die Wirkung aus. War ich immun geworden? Neben mir kotzte Troy die Cornflakes ins Meer. Offensichtlich ging es den anderen auch nicht besser. Nein, ich war nicht immun. Doch gegen diesen harten Seegang halfen nicht einmal mehr unsere Wunderpillen, die andernorts in der Lage waren, ein ganzes Ross umzuhauen. Mir war sterbensschlecht. Und an diesem Zustand sollte sich leider auch nicht mehr viel ändern in den nächsten 36 Stunden. In dieser Zeit bewegte ich mich ungelogen nur ein einziges Mal von meinem Fleck. Doch dazu später. Der Tag wollte nicht vorübergehen und Stunde um Stunde schleppte sich in schwindelerregendem Wellengang da hin. Ich konnte den ganzen Tag nichts essen. Auch das Abendessen fiel aus. Ganz abgesehen davon, dass es sowieso unmöglich gewesen wäre irgendetwas zuzubereiten hatte ohnehin niemand Appetit.

Die Nacht war das hässlichste. Ich war todmüde, wollte aber auf keinen Fall meinen Blick vom Horizont abwenden, dem einzigen ruhenden Pol in dieser unsäglichen Riesenschaukel. Nach links, nach rechts, nach oben, nach unten - und alles zur gleichen Zeit. Unaufhörlich und heftig wippte unser schwimmender Sarg über die unbarmherzigen Wellen. Die Segel hart am Wind, hatte unser Boot eine seitliche Neigung von gefühlten 45 Grad. Ich war regelrecht eingestaucht in einer kleinen Nische im Heckteil des Bootes. In regelmäßigen Abständen schwappte ein ordentlicher Schwall Wasser auf meine Hose und verhinderte den Schlaf, den ich ohnehin nie gehabt hätte. Immerhin hatte ich einen Platz im Freien und an der frischen Luft - alles andere wäre auch unvorstellbar für mich gewesen. Ich weiß bis heute nicht, wie die beiden Kolumbianerinnen den Trip überleben konnten. Sie waren die ganzen beiden Tage unter Deck am dunkelsten Ort des Bootes und gaben keinen Ton von sich.

Dann kam das Unvermeidbare. Ich hatte versucht den Gang zur Toilette mit allen Mitteln zu verhindern. Bis um 4 Uhr morgens war es mir gelungen, ihn herauszuzögern, doch es wurde davon nicht besser. Es half alles nichts, ich musste allernötigst ein großes Geschäft verrichten. Langsam versuchte ich aufzustehen, ohne den Blick vom Horizont zu lösen. So weit so gut. Der schwierige Teil begann mit dem Gang unter Deck. Dort lagen in pechschwarzer Umgebung die Leichen meiner Mitreisenden, über die ich irgendwie hinüberzuklettern versuchte. Die gottlose Schräglage und die ruppigen Auf- und Abbewegungen des Bootes waren dabei nicht von Hilfe. Genausowenig wie die Finsternis dort unten. Irgendwann hatte ich es dann geschafft und war im muffigen Vorderteil des Schiffes angelangt. Dort wusste ich immerhin, wo eine Lampe lag. Mir war schlecht. Ich hangelte mich zum Ort des geplanten Geschehens und nahm die nächste Herausforderung in Angriff - den eigentlichen Toilettengang. Luken auf, hinsetzen, festhalten, abstützen, festklammern, Hau Ruck. Ich spare mir an dieser Stelle alle weiteren Ausführungen. Es ging zwar alles gut, aber fest steht, dass die Mission "große Geschäfte" ein Abenteuer der ganz speziellen Art war und ich es nur ungern noch einmal wiederholen möchte.

Der Morgen nach der durchquälten Nacht fühlte sich gleich ganz anders an. Die See hatte sich ein wenig beruhigt, die Sonne schien und wir alle wussten, dass wir heute Abend wieder festen Boden unter den Füßen haben würden. Die größte Belohnung für unsere Strapazen gab es allerdings, als plötzlich ein gutes Dutzend Delphine neben uns herschwamm. Beinahe eine Stunde lang spielten sie mit Boot und Wellen und demonstrierten uns in unzähligen Sprüngen ihre Akrobatik. Wir waren aus dem Häuschen und beobachteten jede Sekunde des Schauspiels, bevor sich die meisten von uns für den Rest des Tages wieder mit Tabletten betäubten.



Am Abend dann die Erlösung. Land in Sicht! Von weitem sahen wir bereits die weißen Hochhäuser von Cartagena am Horizont aufblinken. Wir hatten es geschafft und waren tatsächlich nur noch einen Steinwurf von Südamerika entfernt. Die Stimmung während der letzten Stunde an Bord war großartig. Die See war mittlerweile friedlich geworden und zum Sonnenuntergang krochen alle aus ihren Löchern und verteilten sich an Deck. Ich suchte wieder meinen Lieblingsplatz ganz vorne auf der Relingsspitze auf und lauschte meiner Reisemusik, während wir der kolumbischen Küste entgegenstürmten. Es war ein triumphales Gefühl, als wir schließlich an der nächtlichen Skyline von Cartagena vorbeischipperten. Wir alle gratulierten uns und schlugen ein auf die überstandene Überfahrt. Der Kapitän brachte uns sicher an Land. Wir verabschiedeten uns herzlich und zogen weiter in die Altstadt, wo wir uns allesamt in einem Hostel einquartierten. Nur der Kapitän ging wieder zurück an Bord. Es war sein zuhause.

Fun Facts:
  • Nachts musste jeder von uns eine Schicht der Nachtwache übernehmen und die Augen offen halten nach Lichtern am Horizont. Im schlimmsten Fall wird man nämlich von einem großen Tankschiff übersehen und überfahren.
  • In der Bucht vor Cartagena kommt es teilweise immer noch zu Piratenüberfällen. Kapitän Marcos war hier selbst auch schon einmal in einer brenzligen Situation, war aber glücklicherweise bewaffnet und konnte die Piraten abschrecken. Er sagt, jeder der öfter durch diese Gewässer fährt sei zum eigenen Schutz bewaffnet.
Checkliste:
  • überlebt

Donnerstag, 6. Januar 2011

Kopfüber in die Karibik



Es war das Paradies. Um 6 Uhr wachte ich auf weil mir ein wenig kalt war. Ich hatte an Deck geschlafen, wie die meisten von uns. Meinem ersten zerknitterten Blick über die Reling mochte ich kaum Glauben schenken und richtete mich auf, reckte und streckte mich und rieb mir die Augen. Doch auch die vom Müdigkeitsschleier befreiten Augen projezierten ein unverändertes Panorama auf meine Netzhaut. Mein Herz geriet in Wallung, denn der Rundumblick war atemberaubend. Wir lagen geankert in einer kleinen Lagune, die umringt war von einsamen Palmeninseln, wie man sie sich nicht schöner hätte vorstellen können. Das Wasser leuchtete in sieben blauen Farben und war klar wie Kristall. Ein gutes Dutzend anderer Boote lag ebenfalls in den sanften Wasserschaukeln der "Badewanne", wie dieser Ort passenderweise genannt wird.

Nach und nach wachten alle auf und ließen Ihrer Begeisterung in Worten und Taten freien Lauf. Kopfüber in die Karibik - Frühsport in der Badewanne. Es folgte Herzhaftes: Kaffee, Pfannkuchen, Schinken, Spiegeleier und Fruchtshake. Was für ein Start in einen Tag.
Als erste Amtshandlung nach dem Frühstück, schwamm ich erst einmal auf die lockende Trauminsel, die uns die ganze Zeit schon anstrahlte. Gegen die Strömung dauerte es 20 Minuten, bis ich dort ankam. Dann war ich mutterseelenalleine auf einem der schönsten Flecklein Erde, die ich jemals gesehen hatte: 250 Meter Durchmesser, in fünf Minuten einmal komplett rund herum gelaufen, nichts als Kokospalmen und weißer Strand, in der Mitte ein Wasserloch, strahlende Sonne, eine frische Meeresbrise und eine Aussicht von der man am Liebsten nie mehr seinen Blick senken möchte. Gibt es diese Insel zu kaufen? Ich will sie sofort haben! Immer wieder musste ich mir bewusst machen, wo ich gerade war. Nicht oft im Leben gibt es Momente,  in denen man das Gefühl hat, angekommen zu sein. Dieser war einer davon. Ich genoss ihn eine geraume Weile, bevor ich eine kleine Unendlichkeit später wieder meinen Rückweg antrat.

Zurück an Bord, fand ich das Schiff ungewohnt geräumig wieder. Der Kapitän hatte nicht zu viel versprochen. Ich ließ mir berichten, dass die ganze Zeit während ich auf der Insel war, kleine Boote vorbeikamen um die bestellten und heiß ersehnten Güter abzuholen. Ich bekam gerade noch mit, wie zwei amerikanische Weltumsegler ihren bestellten DVD-Player abholten. Dass wir auf einmal mehr Platz hatten, verdankten wir aber vornehmlich der Tatsache, dass sich unser Boot bereits am Vorabend gepaart hatte mit einem anderen Boot, welches ebenfalls dem Kapitän gehört und das Jahr über unbewohnt in der Lagune schwimmt. Wir konnten uns also nun etwas großzügiger verteilen und lesender-, angelnder-, schlafender-, sonnender- und badenderweise dem Karibikalltag fröhnen. Zwischendurch unternahmen wir ein paar kleinere Schnorchelausflüge ans Riff, wo ich wieder alter Bekannte traf: Haie, Rochen, Barracudas, und all die bunten Fischlein, die hierzugegen eben so unterwegs sind. Und das war er, unser Alltag in der Karibik. Zwei wunderschöne Tage lang lagen wie hier auf der Sonnenseite des Lebens und mussten uns immer wieder anstupsen, um all dies zu begreifen.

Auch an den Mahlzeiten gab es nichts auszusetzen und wir speisten stets sehr lecker. Nicht selten gab es selbst Gefangenes. Vor allem die Trophäen unseres angelnden Holländers wurden meist direkt in Fischsandwiches für die Allgemeinheit verwandelt. An einem Abend gab es zur Kröung und quasi als vorgezogenen Weihnachtsbraten einen riesigen Truthahn. Abends saßen wir zusammen und tranken einen Satz eisgekühlter Biere. Es war ein wirklich lustiger Haufen, den wir beieinander hatten und wir verstanden uns alle gut. Wir spielten bis spät Gitarre, erzählten uns Witze und führten angeregte Gespräche. In den Nächten frischte meist der Wind auf und es begann zu regnen. Die Schnarcher wurden dann auf die überdachten Hängematten am Bug des Bootes verbannt. Wir anderen verteilten uns auf die restlichen und halbwegs geschützen Flächen an Bord und schlummerten ein in karibischen Träumen.


Fun Facts:
  • Am ersten Morgn nach unserer Ankunft gab es von einem der Nachbarboote folgende Durchsage über den Bordfunk: "Aquajogging um 9 Uhr hinter dem Boot Dreamcatcher. Wer selbst keine Schwimmnudel hat, kann sich hier welche ausleihen. 9 Uhr - Aquajogging - Dreamcatcher. Over."
  • Kuna Indianer, die auf den Hauptinseln etwas ausgefressen haben werden zur Strafe teilweise bis zu einem Monat lang auf einer einsamen Insel ausgesetzt.

Checklist:
  • in der karibik auf einem Segelboot übernachtet
  • in 5 Minuten quer über eine Palmeninseln gelaufen
  • selbst gefangenen Thunfisch gegessen
  • das Pardies gesehen

Mittwoch, 5. Januar 2011

Leinen los, wir fahren ab!



"Fünf Tage auf einem Segelboot durch die Karibik", das liest sich wie eine Anzeige in einem Magazin für Traumferien. Um es gleich vorweg zu nehmen: es sollten keine reine Traumferien werden.
Alles begann in Portobello. In unserer Abfahrtsbucht lagen eine ganze Reihe hübscher Boote, Yachten und Katamarane und in gespannter Erwartung fragten wir uns schon am Vortag, welches Boot es wohl sein würde, auf dem wir die nächsten Tage auf hoher See verbrächten.

Früh am nächsten Morgen holte uns Kapitän Carlos mit seinem kleinen Aussenborder Schlauchboot ab und schipperte im Slalom um all die zuvor gesehenen, hübschen Boote, bis wir schließlich an der "Melody" ankamen. Mit dem ersten Anblick kam die erste Ernüchterung. Das Schifflein war vergleichsweise klein und machte auch nicht den fortschrittlichsten aller denkbaren Eindrücke. Beim Betreten des Bootes war auf einen Blick klar: Das gibt ein Platzproblem! Zu unserer begeisterungsarmen Überraschung waren drei weitere Personen bereits an Bord: des Kapitäns mormonischer Steuermann und zwei kolumbianische Mädchen, die zuständig sein sollten für unser leibliches Wohl. Dazu kamen acht von uns - drei tätowierte australische Surfer, zwei neutrale Schweizer, ein ruhiger holländischer Angelfreund, eine krisenresistente Australierin, die seit 8 Jahren nicht mehr zuhause war und meine Wenigkeit. Zusammen mit dem Kapitän waren wir nun also zwölf Seelen an Bord eines 15 Meter langen Schiffchens, das bis obenhin vollgestopft war mit Lebensmitteln, Werkzeugen, zwei Motorrädern und allem möglichen anderen Gerümpel.

Es stellte sich heraus, dass Kapitän Marcos der Go-To-Guy ist in den Gewässern zwischen Panama City und Cartagena. Hier versorgt er regelmäßig die im San Blas Archipel ankernden Boote mit Fressalien und anderen nützlichen Dingen (z.B. DVD Player). Dafür verlangt er einen Aufpreis von respektablen 30%. Auf diese Weise verdient er, während der Backpackertrips, die für diese Versorgerei herhalten müssen, zusätzlich gutes Geld. Doch in seiner wortkargen "Ansprache" versicherte uns Marcos, dass der Räumungsverkauf gleich schon am nächsten Morgen stattfinden würde und es dann wieder genügend Platz an Bord gäbe. Danach klärte er uns über die geplante Marschroute auf: Die Anreise zu den San Blas Inseln solle einen Tag in Anspruch nehmen, der Aufenthalt im San Blas Archipel zwei weitere Tage und die Weiterreise auf hoher See nach Cartagena die letzten beiden Tage.

Dann folgten die drei heiligen Regeln:
1. Regel: "Wenn ihr die Toilette benützen müsst, verschließt immer und unter allen Umständen die Wasserventile, wenn ihr fertig sein - ansonsten wird es ein äußerst widerliches Unglück geben." Überhaupt waren wir Männer angehalten, zum Pinkeln gar nicht erst die ganz vorne im dunklen Bug versteckte Toilette aufzusuchen sondern statt dessen die Reling.
2. Regel: "Kein Mensch auf diesem Boot, außer mir rührt das GPS-Gerät an! Wenn wir das GPS-Gerät verlieren haben wir ein echtes Problem. Ist das verstanden?" Wir quittierten mit einem eingeschüchterten Nicken.
3. Regel: "Keiner fällt über Bord! Haltet Euch fest wenn ihr rumlauft. In den 10 Jahren, in denen ich diese Touren anbiete habe ich noch keinen einzigen Backpacker verloren. Das können nicht alle behaupten. Dies ist kein Spaß - haltet Euch fest! Wenn bei Dunkelheit jemand über Bord geht ist es nicht garantiert, dass wir ihn wieder finden - schon gar nicht bei dem Seegang, der zur Zeit herrscht. Klar?" Wir nickten noch eingeschüchterter.

Vor allem die letzte Regel räumte unsere letzten Zweifel beiseite bezüglich der Einnahme der kurzfristig besorgten Kotztabletten. Und noch bevor wir in See stachen, hatte jeder von uns Matrosen eine der Wunderpillen geschluckt. Dann ging es los! Der Anker gelichtet. Das Segel gehisst. Wir waren noch keine fünf Minuten unterwegs, da verstanden wir, warum es Regel Nr.3 gab. Die See war rauh und unsere kleine Walnussschale von einem Boot wurde zum Spielball der Wellen. Wäre einem von uns nach einem Bootspaziergang zumute gewesen, dann hätte er sich in der Tat stramm festhalten müssen, um nicht in Gefahr zu laufen über Bord zu gehen. Doch abgesehen von der "Todeszone Toilette", gab es zum einen gar keinen Platz wo man hätte hin laufen können und zum anderen waren wir alle ausreichend beschäftigt mit der Fixierung des Horizonts. Eine halbe Stunde später zeigten dann die Pillen ihre Wirkung. Ich will ehrlich nicht wissen, was in diese kleinen Reisefreunde alles reingemischt wurde. Schmerzmittel, Blutdrucksenker, Schlafmittel, Morphium, Halluzinogene - Gott weiß was in diesem Moment alles durch unsere Blutbahnen rauschte. Wir waren alle ohnmächtig und es folgten lange Stunden in Halbschlaf und Delirium.

Als ich endlich wieder meinen Blick scharf stellen konnte und langsam Leben in meinen Körper zurückkehrte dämmerte es bereits und wir waren nicht mehr weit entfernt von unserem Tagesziel. Bald munterten wir alle vollends auf und gerieten geradezu in eine gesteigerte Euphorie, als wir in der Ferne plötzlich die ersten Silhouetten kleiner einsamer Karibikinseln ausmachen konnten. Wir hatten nun das schützende Riff erreicht, die See wurde ruhiger. Bald würden wir da sein. Es war ein unbeschreiblich reiches Gefühl von Freiheit, als ich mich irgendwann ganz vorne auf die schaukelnde Reling setzte und mit einer lauen und salzigen Brise im Haar dem Funkeln und Flackern des sich im Wasser spiegelnden Vollmondes zuschaute - dem Karibiktraum entgegen.

Fun Facts:
  • Die San Blas Inseln im karibischen Meer, bilden ein Archipel von mehr als 350 Inseln, die sich über knapp 180 Kilometer von Panama bis zur kolumbianischen Grenze erstrecken.
  • Die Inseln sind zu etwa 10% besiedelt und werden von den Kuna Indianern bewohnt und autonom verwaltet.

Checklist:
  • Kotztabletten gegessen

Sonntag, 2. Januar 2011

Erdrutsch in der Piratenbucht



Es war ein bitteres Gefühl am Morgen nach Svenjas Rückflug aufzuwachen und plötzlich niemanden mehr da zu wissen, mit dem man alles teilen kann, mit dem man lachen kann und mit dem zusammen man die täglichen Herausforderungen einer Reise bewältigen kann. Ich seilte mich an diesem Tag ab und bummelte gedankenverloren und sentimental durch die lebendigen Straßen von Panama City. Doch so sehr ich auch die gemeinsame Reisezeit vermissen würde, ich musste mich lansam mit dem Gedanken anfreunden, von nun an auf eigene Faust zu reisen.

Der Aufbruch ins Alleinereisen war stürmisch. Bevor stand der mit Abstand umständlichste und schwierigste Abschnitt des "Roadtrip Panamericana". Da nämlich die Verbindung zwischen Panama und Kolumbien aufgrund der Guerillaaktivitäten auf dem Landweg nur unter Einsatz von Leib und Leben möglich ist, sind die einzigen anderen Optionen Fliegen oder die Reise per Boot. Für einen einen anständigen Roadtrip war der Luftweg natürlich ausgeschlossen, blieb also nur die Wasserstraße zwischen Panama City und Cartagena - 5 Tage auf einem Segelboot!

Ich kontaktierte bereits Tage zuvor den Kapitän der "Melody", eines der wenigen Schifflein, die zu dieser unruhigen Jahreszeit diese Strecke auf rauher See überhaupt noch in Angriff nahmen. Ich hatte also meinen Platz gesichert, hatte ansonsten aber herzlich wenige Informationen. In der vorletzten Nacht vor der Abreise rief mich der Kapitän dann unverhofft im Hostel an und fragte, wo wir denn alle seien? Ich war verwirrt. Wo sollten wir denn sein? Und wer ist überhaupt wir?

Es stellte sich heraus, dass Carlos, der Kapitän, die Pässe aller Passagiere allerspätestens am nächsten Morgen bis 9 Uhr im 2 Stunden entfernten Portobello in Empfang nehmen musste, um die Ausreisestempel und allen möglichen anderen Papierkram zu erledigen. Ich fand mich plötzlich und ungewollt in der Rolle des Verantwortlichen dafür, dass sich alle Beteiligten bis dahin vor Ort einfinden würden. Die gute Nachricht war, dass alle Mitreisenden bei uns im Hostel wohnten, die schlechte, dass fast allesamt ausgeflogen waren, um sich in der Partylandschaft Panama Citys auszutoben. Entsprechend war es ein ganz besonderes Vergnügen und geradezu unmögliches Unterfangen, 6 völlig betrunkene Backpacker nach einer Stunde Schlaf um 6 Uhr morgens aus ihren Betten zu reißen und ihnen klar zu machen, dass wir quasi bald alle im selben Boot sitzen würden und wir deshalb jetzt und sofort aufbrechen müssten. Gott sei Dank gab es noch Stacey, eine krisenerprobte Australierin, die wie ich gut ausgeschlafen war. Wir beide schoben den unbrauchbaren Rest des Passagierhaufens durch alle möglichen Busse und Taxis, bis wir schließlich und endlich in Portobello ankamen und dem Kapitän unsere Unterlagen überreichten.

So viel zum spaßigen Teil dieses Tages. Das genaue Gegenteil von Spaß erwartete uns jedoch nur kurze Zeit später. Eigentlich ist Portobello ein richtig schönes und entspantes Dörflein in einer wahrhaftigen Piratenbucht. Überall stehen die Befestigungen und Kanonen aus Tagen, in denen noch erbitterte Kämpfe um Gold und andere Reichtümer ausgetragen wurden. Auf dem Aussichtpunkt konnte man es sich bildlich vorstellen, wie plötzlich ein großes Piratenschiff in die Bucht einbog und die Kanonen donnerten und Musketen krachten.

Das alles war jedoch überschattet von den furchtbaren Erdrutschen, die sich vor ein paar Tagen hier ereignet hatten. Die Hauptstraße wurde direkt am Ortseingang samt anliegenden Häusern von zwei gewaltigen Schlammlawinen weggerissen. Die Bilanz: 8 Tote!
Die Tragweite des Unglücks war erdrückend und die Stimmung im Ort und auch unter uns auf dem Nullpunkt. Es war das Thema, das alles beherrschte, und das Gesicht des Unglücks war erschreckend. Es war nicht zu vermeiden den Unglücksort und die ganze Tragödie mit eigenen Augen zu sehen, denn schließlich war er direkt und unmittelbar da - grausame Eindrücke, die mir nicht mehr aus dem Kopf gehen werden. Am Nachmittag fand die Beerdigung statt, und es schien als ob die ganze Region angereist war um Anteil daran zu nehmen. Auch Fernsehsender und Politiker waren vor Ort. Wir auch. Ein trauriger Tag.

Happiness!



"Happiness feels a lot like sorrow", so beginnt die zweite Strophe eines der Reiselieder, die Svenja und mich über tausende von Kilometer hinweg begleitet haben. Am Ende unserer gemeinsamen Reisezeit lieferte uns diese Zeile in wenigen Worten den Grund für die gemischten Gefühle, die sich in diesen Tagen unter uns breit gemacht hatten. Denn auch wenn wir die letzten schönen Momente so lange wie irgendmöglich aufhalten und nicht sterben lassen wollten, auch wenn die scheidenden Stunden melancholisch und bekümmert waren, so wurde uns durch den näher rückenden Abschied doch erst richtig bewusst, wie viel Wertvolles und welches Glück wir gefunden hatten auf dieser Reise. Ein Glück, das sich in diesem Moment zwar sehr traurig anfühlte, von dem wir aber andererseits wussten, wie kostbar und beständig es in Wirklichkeit war. So vieles gemeinsam erlebt zu haben, alles miteinander geteilt zu haben und uns so aufrichtig kennengelernt zu haben - das sind die Dinge, die eine solche Reise so unschätzbar und echt machen. Und zu ihr gehört stets der Neuanfang, das Abschiednehmen und das was währt und bleibt.

Immer wieder in die Weite,
über Länder an das Meer,
Phantasien, in der Breite
schwebt am Ufer hin und her!
Neu ist immer die Erfahrung:
Immer ist dem Herzen bang,
Schmerzen sind der Jugend Nahrung,
Tränen seliger Lobgesang.
(Johann Wolfgang von Goethe)


Fun Facts:
  • Svenja ist ein Gemütlichkeitsprofi. Ein ausgefeiltes und lang erprobtes Arrangement von Nackenkissen, Kapuzenpulli, Schlafsack, Wollsocken und normalen Kissen garantiert Svenjas Schlaf selbst in noch so unbequemen Bussen.
  • "Ich frier" und "Muss mal" standen in den Top 10 von Svenjas am häufigsten gebrauchten Wortkombinationen.
  • Mit Bravour meisterte Svenja die harte Schule des "Pipitrainings" - über 6 Stunden im Bus, ohne auf die Toilette zu gehen.
  • Gewöhnlich dauert es keine 30 Sekunden bis jeder freie Fleck in einem neu bezogenen Hostelzimmer flächendeckend mit Svenjas Rucksackinhalt belegt ist.
  • Berge erklimmen, Nachtbusfahrten, Dschungelwanderungen, im Regen schlafen, Wellenreiten, Freiheit atmen, Streetfoodexperimente, auf Vulkanen rutschen, mit Haien schnorcheln, Feste feiern, Sandburgen bauen, es gibt nichts was Svenja nicht mitmachen würde. "Reisen mit Svenja." - ich würde es immer wieder buchen :)

Checklist:
  • Abschiedstränen vergossen

Happiness - The Fray:
http://www.youtube.com/watch?v=R6G136-D7Go