"Lass nochmal kurz im Internet checken, ob uns jemand von den Couchsurfern eingeladen hat." Wir standen bereits an der Rezeption des Hostels und waren kurz davor für 30 Dollar die Nacht einzuchecken, als Svenja diesen Vorschlag machte. Gesagt, getan. 20 Minuten später stand unser neuer Freund Shawn auf der Matte, um uns in seinem Jeep abzuholen zu sich nach Hause. Eine weitere Couch stand bereit, auf der wir die nächsten 3 Nächte surfen sollten - und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn wie sich noch auf der Fahrt herausstellte, wohnt Shawn nicht wie gewöhnlich in einem Appartment sondern in einem kleinen Segelboot am Ufer des Lake Washington.
Wir konnten es kaum glauben, aber in dieser Nacht lagen wir tatsächlich in einem kleinen, gemütlichen Segelboot und ließen uns in den Schlaf schaukeln. Shawn, vermutlich einer der lässigsten Typen dieser Stadt, arbeitet für die NGO "World Vision". Im Rahmen seines Jobs ist er die meiste Zeit unterwegs und betreut überall in den USA Events, die sich vor allem mit der AIDS Problematik in Afrika beschäftigen. Ein eigenes Appartment in Seattle lohnt sich für ihn kaum und darum hat er sich vor einem Jahr das Boot gekauft. "Alle glauben, Segeln sei nur etwas für reiche Leute. Aber das stimmt gar nicht. Ich habe das Boot für nur 1000 Dollar gekauft. Es ist zwar alt, aber noch top in Schuss. So kann ich viel billiger leben als wenn ich eine feste Wohnung hätte. Außerdem liebe ich die friedliche Atmosphäre hier und die tolle Aussicht über den Lake Washington." Wenn Shawn spricht, hört sich alles so einfach an. Ich will auch ein Boot.
Einen Haken hatte das Ganze jedoch. Auf Shawns Boot gab es nämlich leider keine Dusche und lediglich eine handbepumpte Miniaturtoilette. Die tägliche Körperpflege praktiziert Shawn daher in aller Regel in der hauseigenen Dusche bei "World Vision" oder im nahegelegenen Schwimmbad. Gelegentlich schleicht er sich aber auch in den 8. Stock eines noblen Wohnhauses in Downtown Seattle ein, wo eigens für die Bewohner ein Pool, eine Sauna, eine Dampfgrotte und ein Spa bereit stehen. In Anbetracht des Dauerregens in Seattle hörte sich vor allem Letzteres auch für uns über alle Maße verlockend an. Und da Shawn so ziemlich der zuvorkommendste Gastgeber war, den man sich vorstellen kann, nahm er uns auch prompt dorthin mit. Und so schlichen wir also in den besagten 8. Stock und verbrachten unseren zweiten Tag in Seattle hauptsächlich badend- und schwitzenderweise über den Dächern der Innenstadt. Ein Traum.
Zu Gute kam uns auch, dass Shawn früher einmal als Guide in einem Hostel arbeitete. Wir hatten uns quasi unseren ganz persönlichen Fremdenführer geangelt. Und der hatte offensichtlich große Freude daran, uns all die geheimen Ecken und Insidertips seiner Stadt zu zeigen - ein wirklicher Glückstreffer. Hinzu kommt, dass wir uns insgesamt einfach blendend mit Shawn verstanden und in ihm einen großartigen, neuen Freund gewonnen haben.
Geh in eine fremde Stadt. Verlasse sie vertraut und behalte dort gute Freunde. Das ist Reisen.
Morgen geht es im Zug weiter nach San Francisco.
Fun Facts:
- In der Innenstadt von Seattle ist der gesamte Bustransport gratis.
Checklist:
- Im Segelboot übernachtet
- Kurt Cobains Haus gesehen
- Bill Gates' Heimatstadt aus der Ferne gesehen
- Erste Starbucks Filiale gesehen
- Kajak gefahren
- Gebadet und sauniert im 8.Stock eines Wolkenkratzers
- Budweiser getrunken
- Freunde gewonnen
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